Samstag, 31. Juli 2010

Auroville: Leben rund um den Matri Mandir


                                                                                                     Auroville. Wie ein riesiger Golfball sieht er aus oder wie ein goldenes UFO, aus dem Außerirdische jeden Augenblick aussteigen werden. Der Matri Mandir ist das spirituelle Zentrum von Auroville, eine Stadt, in der Menschen aus aller Welt in Harmonie zusammen leben sollen. Nur 130 Kilometer entfernt von Madras und gleich um die Ecke von Puducherry tut sich eine andere Welt auf.

Astrid lebt und arbeitet seit über zehn Jahren in Auroville. Sie ist Clownin und spielt heute eines ihrer Lieblingsstücke auf einem Umweltsymposium in Madras. Neben Experten aus aller Welt ist auch eine Schulklasse eingeladen. Besonders den Kindern möchte sie durch ihr Stück "Der letzte Baum" den Umweltgedanken näherbringen. Ein guter Ansatz, denn langsam beginnen auch die indischen Schulen damit, Kindern die Folgen des Klimawandels zu vermitteln und dass Umweltschutz etwas ist, dass jeden angeht.


Später verblüfft die Clownin die Schüler dadurch, dass aus den Wurzeln ein Baum-Zwillingspärchen geboren wird. Witzig, aber die indischen Schüler finden das eher merkwürdig als zum Lachen. Das Umweltschutz lustig sein kann, ist vielleicht noch nicht angekommen. Mit ihrem Beitrag vermittelt sie ein wenig von dem ethischen Gedanken Aurovilles und hofft, dass sie damit Kinder und Jugendliche zum Nachdenken bringt.

Ganzheitliches Denken und ethisches Prinzip 

Bevor die junge Frau zu ihrer eigentlichen künstlerischen Tätigkeit fand, arbeitete sie als Bedienung in einem der Restaurants. "Am Anfang starten die meisten Bewohner hier so. Man probiert erst mal aus, ob man nach Auroville passt und arbeitet, was sich gerade anbietet." Singles, Paare, Familien aus vielen Nationen leben hier. Kinder, die nur die heile Welt von Auroville kennen, wurden hier geboren.

Künstler, Handwerker, Lehrer und viele andere Berufe werden in Auroville ausgeübt, eben alles, was man braucht, um eine Stadt oder ein Dorf mit 2000 Menschen am Laufen zu halten (es sollen einmal 50.000 Einwohner werden). Allerdings ist vieles nach besonderen ethischen Grundlagen ausgerichtet. Das ist das Lebensprinzip in der Auroville – ganzheitliches Denken, dass sich im geistigen Leben genauso realisiert wie im Alltag.

 Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände nach ökologischen Gesichtspunkten gefertigt

So werden beispielsweise Lebensmittel, Lederwaren wie moderne Schuhe und Taschen sowie stylische Lampen mit Rohseidenschirmen oder Kosmetika aus Naturstoffen nach modernen ökoligischen Gesichtspunkten gefertigt, vieles davon in die Großstädte importiert. Nach europäischem Maßstab ist es noch nicht mal so teuer. In speziellen Auroville-Shops in Madras kann man beispielsweise drei Mal die Woche frisches Brot kaufen, das deutschen Vollkornbrot in nichts nachsteht. Deutsche, französische und Schweizer Expatriates sind die Hauptkunden, aber auch Inder haben den Vorteil von Vollwertbrot mittlerweile entdeckt.

Zentrum von Auroville, der „Stadt der Morgenröte“ – so die Bedeutung des Namens - ist der Matri Mandir. Eine Art Tempel, in dessen Mittelpunkt sich eine Kristallkugel befindet. Der innere Raum ist als Ruhezone gedacht, in der Menschen jeder Religion oder Nationalität meditieren können. Um dort hinein zugelangen, muss man einen speziellen Antrag stellen, was verhindern soll, dass Neugierige den Frieden stören.
 Nun, es ist unser erster Besuch in Auroville und wir verzichten vorerst darauf, uns in die Kristallkugel zu versenken und machen unserem Pflichtbesuch im Besucherzentrum. Dort erfahren wir, dass die Idee einer „universellen“ Stadt auf der Gesellschaftstheorie von Sri Aurobindo basiert. Mira Alfassa, "The Mother", die seit den 1930er Jahren den Sri Aurobindo Ashram in Puducherry (früher Pondycherry) organisierte, setze diese Idee Anfang der 60er Jahre um.

Das Areal gleicht einer Insel der Glückseeligen

Wieder draußen in der Nachmittagshitze Südindiens, machen wir einen Spaziergang durch die hübschen Grünanlagen rund um den Mandir. Bäume und Sträucher bieten - wenn auch unzureichend - Schatten. Der Platz vor dem Mandir gleicht einer Art Amphitheater und wird zu Versammlungen insbesondere in den Abendstunden genutzt, wenn die Temperaturen ein wenig absinken. Während des Tages sieht man meist nur indische Arbeiter, die das Gelände in Schuss halten sowie Touristen. Das gesamte Areal gleicht einer Insel der Glückseeligen. Manchmal fährt ein Auto vorbei, Arbeiter kommen auf Fahrrädern daher. Keine Spur vom südindischen Autolärm, alles ist blitzeblank gepflegt. Glaubt man der Dokumentation im Besucherzentrum, passen die Bewohner in Lebensart und Umgang in diese friedvolle Umgebung.

Doch dass alles manchmal nicht so perfekt ist, wie es scheint, wurde auch hi und da in Auroville deutlich. BBC veröffentlichte 2008 einen Beitrag, bei dem von Kindesmissbrauch – insbesondere von Kindern der einheimischen Bevölkerung - die Rede war. Allerdings habe man in Auroville gleich reagiert, so heißt es, und Maßnahmen ergriffen.

Auroville, das nicht zum eigenständigen Staat Puducherry, sondern zu Tamil Nadu gehört, ist sicher einen Besuch wert, auch für alle, die sich nicht gleich meditativ versenken möchten. Lohnenswert ist das hübsche Restaurant mit europäischen Essen und die Shops, die Bekleidung, Schmuck, Lampen und Geschenke anbieten.

Internet: http://www.auroville.org/

Text: Senya Müller; Fotos: Senya Müller, Auroville